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Exkursionen

Herbstexkursion 2017

Dessau

Was wäre gewesen, wenn Leo Grewenig in den 1920er-Jahren das Angebot des großen Bauhaus-Meisters Wassily Kandinsky angenommen hätte, und nach seiner eigenen Ausbildung am Bauhaus in Weimar mit der berühmten Schule nach Dessau umgezogen wäre – als Leiter der Klasse für Wandmalerei? Stattdessen entschied Grewenig sich für die freie Kunst und schließlich für eine Ausbildung zum Kunstpädagogen, als der er zunächst zurück in seine saarländische Heimat und schließlich an die Bergstraße kam – die Beziehung zwischen ihm und seinen hiesigen Schülern beleuchtete vor wenigen Wochen erst eine Ausstellung der Kunstfreunde Bergstraße im Damenbau des  Fürstenlagers.

Wenn auch Leo Grewenig selbst einst dem Bauhaus den Rücken kehrte, so bestehen doch heute wieder Verbindungen zu dem 1933 geschlossenen Institut, das inzwischen zu den Welterbestätten der UNESCO zählt. Vor einigen Jahren schenkte Waltrud Grewenig-Hölscher im Namen der Erbengemeinschaft den Sammlungen der Stiftung Bauhaus Dessau etwa 50 Bilder des Vaters. Im restaurierten Meisterhaus Wassily Kandinsky in Dessau gab es im Sommer 2011 eine Ausstellung mit Grewenig-Werken, zu der Erich Henrich, Vorsitzender des Vereins Kulturinitiative Leo Grewenig, die Einführungsrede hielt.

Nun führte die diesjährige, von Erich Henrich organisierte Herbst-Exkursion ans Bauhaus nach Dessau. Die 25 Teilnehmer wurden von Wolfgang Thöner, dem Leiter der Sammlungen, begrüßt und durch das von Walter Gropius 1925/26 entworfene Bauhaus-Gebäude begleitet. Deutlich wurde, wie begierig am Bauhaus damals technische Neuerungen aufgegriffen wurden – nicht nur die neue Bautechnik mit Stahlträgern und die Möglichkeit, große durchgehende Glasflächen anzufertigen, verschafften gestalterische Freiheit, sondern Gropius orientierte sich auch an in der Industrie verwendeten Bauteilen wie speziellen verstellbaren Fenstern. Vieles von dem, was als „typisch Bauhaus“ bekannt wurde, wurde hier zwar nicht erfunden, aber erstmals ästhetisch aufgegriffen und im Sinne einer sich als Gesamtkunstwerk verstehenden Architektur angewendet, die von allen Seiten gleichwertig zu betrachtende Baukörper mit zurückgenommener Betonung hierarchischer Strukturen schuf . Die besondere Stellung des Bauhauses als – nicht von allen Seiten willkommen geheißenem – Vermittler zwischen Handwerk und industrieller Fertigung wird in Dessau derzeit in einer temporären Ausstellung thematisiert. Diese stand ebenso auf dem Exkursionsprogramm wie ein Besuch der restaurierten, einst ebenfalls von Walter Gropius entworfenen Meisterhäuser und ein Rundgang durch die Siedlung Dessau-Törten mit Beispielen für die Ideen von Walter Gropius und seinem Nachfolger am Bauhaus, Hannes Meyer. Es ging um die Lösung städtebaulicher und sozialer Probleme durch kostengünstigen Massenwohnbau, der sowohl den Gedanken der Selbstversorgung als auch des gesunden und komfortablen Wohnens gerecht werden sollte – in Wohnungen und Häusern, die oft  weniger als 50 Quadratmeter Wohnfläche boten. Deutlich wurde  bei der Besichtigung zum Teil noch im Original erhaltener Wohnungen auch der experimentelle Charakter der Planungen. Die einzelnen Bautypen mussten zum Teil noch während der Ausführung in Bauabschnitten verändert werden, nicht nur wegen vereinzelter architektonischer Unzulänglichkeiten, sondern auch wegen der fortschreitenden Inflation.

Beim Abendessen lernten die Exkursions-Teilnehmer schließlich auch noch die von Carl Fieger, einem Mitarbeiter von Gropius, der ebenfalls am Bauhaus tätig war, an der Elbe 1929/30 errichtete Gaststätte „Kornhaus“ kennen, die den Zweiten Weltkrieg unbeschadet überstand, auch in der DDR als Gaststätte betrieben wurde und noch über viele originale Ausstattungselemente verfügt.

Im nahe Dessau gelegenen Wörlitz mit seinen – ebenfalls auf der Liste der UNESCO-Welterbestätten verzeichneten – Schloss- und Gartenanlagen aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gab es Gelegenheit, das aufklärerische, um Reform bemühte Wirken des Erbauers, Fürst Leopold III. Friedrich Franz von Anhalt-Dessau zu studieren. In Zusammenarbeit mit seinem Freund Friedrich Wilhelm von Erdmannsdorff schuf er mit seinem Sommersitz ein Ensemble, das das Schöne mit dem Nützlichen verbinden sollte und zur Belehrung der Bevölkerung von Anfang an für jedermann zugänglich war. Ähnlich dem Bauhaus später war auch Leopold III. technischen und vor allem praktischen, raumsparenden Ideen zugetan – in seinem Schloss finden sich nicht nur in den Wänden versenkbare Fensterläden, Betten und Schränke, sondern auch ausgefeilte Einrichtungen etwa zum Händewaschen direkt im Speisesaal.